Wie groß die Gefahr ist, sich ohne Mund-Nasenschutz mit dem Coronavirus anzustecken, hat das Göttinger Forscherteam überrascht. „Wir hätten nicht gedacht, dass es bei mehreren Metern Distanz so schnell geht, bis man aus der Atemluft eines Virusträgers die infektiöse Dosis aufnimmt“, sagt Eberhard Bodenschatz, Direktor am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation und Principal Investigator am DZHK. Denn auf diese Distanz hat sich die Atemluft schon kegelförmig im Raum verbreitet. Entsprechend verdünnt werden die infektiösen Partikel. Die besonders großen und damit besonders virusreichen Partikel fallen zudem schon nach einer kurzen Strecke durch die Luft zu Boden.
„Trotzdem haben wir in unserer Studie auch in drei Metern Entfernung noch ein enormes Ansteckungsrisiko festgestellt, wenn man Infizierten mit einer hohen Viruslast, wie sie bei der vorherrschenden Delta-Variante des Sars-CoV-2-Virus auftritt, für ein paar Minuten begegnet und keine Maske trägt“, sagt Eberhard Bodenschatz. In Schulen, Gaststätten, Clubs oder auch im Freien sind solche Begegnungen unvermeidbar.
Gut sitzende FFP2-Masken senken das Risiko mindestens in den Promillebereich
Die Göttinger Studie zeigt, wie gut, welche Masken bei welcher Trageweise schützen. FFP2- oder KN95-Masken filtern infektiöse Partikel besonders wirkungsvoll aus der Atemluft – vor allem wenn sie an den Rändern möglichst dicht abschließen. Tragen sowohl die infizierte als auch die nicht-infizierte Person gut sitzende FFP2-Masken, beträgt das maximale Ansteckungsrisiko nach 20 Minuten selbst auf kürzeste Distanz kaum mehr als ein Promille. Sitzen ihre Masken schlecht, steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Infektion auf etwa vier Prozent. „Eine Maske lässt sich an die Gesichtsform hervorragend anpassen, wenn man ihren Metallbügel vor dem Aufsetzen zu einem abgerundeten W biegt“, sagt Eberhard Bodenschatz. „Dann gelangen die ansteckenden Aerosolepartikel nicht mehr an der Maske vorbei, und auch Brillen beschlagen nicht mehr.“
Tragen beide gut angepasste OP-Masken, wird das Virus innerhalb von 20 Minuten mit einer Wahrscheinlichkeit von höchstens zehn Prozent übertragen. Die Untersuchung bestätigt zudem die Annahme, dass für einen wirkungsvollen Infektionsschutz vor allem die infizierte Person eine möglichst gut filternde und dicht schließende Maske tragen sollte.
Ohne Maske liegt Ansteckungsgefahr bei fast 100 Prozent
Die Ansteckungswahrscheinlichkeiten mit Maske, die das Max-Planck-Team ermittelt hat, geben jeweils die obere Grenze des Risikos an. „Im täglichen Leben ist die tatsächliche Infektionswahrscheinlichkeit sicherlich 10- bis 100-mal kleiner“ sagt Eberhard Bodenschatz. Denn die Luft, die an den Rändern aus der Maske strömt, wird verdünnt, sodass man nicht die gesamte ungefilterte Atemluft abbekommt. Das haben wir aber angenommen, weil wir nicht für alle Situationen messen können, wieviel Atemluft eines Maskenträgers bei einer anderen Person ankommt, und weil das Risiko so konservativ wie möglich berechnen wollten“, erklärt Bodenschatz. „Wenn unter diesen Bedingungen sogar das größte theoretische Risiko klein ist, ist man unter realen Bedingungen auf der ganz sicheren Seite.“ Ohne Maske liegt das Risiko sich innerhalb weniger Minuten anzustecken selbst mit drei Metern Abstand bei fast 100 Prozent.
Der richtige Sitz der Maske macht also einen deutlichen Unterschied. Zwar schützen dicht abschließende FFP2-Masken im Vergleich zu gutsitzenden OP-Masken 75 mal besser. Aber medizinische Masken reduzieren das Ansteckungsrisiko schon deutlich im Vergleich zu einer Situation ganz ohne Mund-Nasenschutz. „Unsere Ergebnisse zeigen noch einmal, dass das Maske-Tragen an Schulen und auch generell eine gute Idee ist“, so Eberhard Bodenschatz.
Publikation: Gholamhossein Bagheri, Birte Thiede, Bardia Hejazi, Oliver Schlenczek and Eberhard Bodenschatz. An upper bound on one-to-one exposure to infectious human respiratory particles. Proceedings of the National Academy of Sciences, December 7, 2021. https://doi.org/10.1073/pnas.2110117118
Quelle: Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation