In dieser Woche waren Thomas Eschenhagen, Stefanie Dimmeler und Steffen Massberg Gesprächspartner im „Press Briefing“ des Science Media Centers (SMC). Das SMC macht eine in diesen Zeiten sehr wichtige Arbeit: Es vermittelt Hintergrundwissen von Experten aus der Wissenschaft an Journalisten und Redaktionen. Das Thema lautete: „COVID-19 und das Herz“.
Es ging darum, in welcher Weise Herz-Kreislauf-Patienten besonders von der COVID-19 Erkrankung betroffen sind und was der Stand der Forschung ist? Einige Fragen und Antworten habe ich hier zusammengefasst. Das gesamte Press Briefing kann man hier nachhören bzw. nachlesen.
Welche Rolle spielt der ACE2-Rezeptor bei der Corona-Infektion?
Das Angiotensin-konvertierende Enzym 2 (ACE2) sitzt auf der Zellmembran von Lungenzellen. Das SARS-Cov2-Virus dockt dort an und kapert so die Zellen, um sich in ihnen zu vermehren. ACE2 findet sich aber auch auf anderen Zellen, z.B. Herzmuskelzellen und Zellen der Blutgefäße. Ob das Virus auch in diese Zellen gelangen kann, wollen Forscher – auch im DZHK – gerade herausfinden. Das ist wichtig, denn eine Infektion könnte zu schweren Herzmuskelentzündungen führen. Schon bekannt ist, dass Menschen mit Herzerkrankungen wesentlich mehr ACE2 auf den Herzzellen bilden. Im DZHK werden gerade stammzell-basierte Modelle im Labor entwickelt, die zeigen sollen was passiert, wenn diese Gewebe dem Virus ausgesetzt sind.
Wie wirkt sich die Einnahme von Blutdrucksenkern wie ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptor-Blockern (ARB) auf den Verlauf von COVID-19 aus?
In Deutschland nehmen täglich 16 Millionen Menschen solche Blutdruckmedikamente. Diese bewirken über unterschiedliche Mechanismen, dass das Hormon Angiotensin II zurückgedrängt wird. Angiotensin II ist sozusagen der Bösewicht in dem sehr komplexen System der Blutdruckregulation. Es bewirkt, dass die Gefäße sich eng stellen, es erhöht den Blutdruck, schädigt das Herz und die Nieren. ACE-Hemmer und ARB führen nun neben anderen Effekten auch dazu, dass ACE2 vermehrt auf Zellmembranen gebildet wird, welches Angiotensin II wiederum unschädlich macht. Es gibt die These, dass mehr ACE2 auch mehr Eintrittspforten für das Virus bedeutet und damit Infektionen begünstigt. Umgekehrt bedeutet mehr ACE2 aber auch einen Schutz für das Herz-Kreislauf-System, weil es das schädliche Angiotensin II wegfängt und protektive Abbauprodukte wie Angiotensin 1-7 bildet. Die derzeitige Studienlage, hier einmal zusammengefasst, ist nicht klar, deutet aber eher darauf hin, dass der protektive Effekt die größere Rolle spielt. Wir können deshalb, so wie alle Fachgesellschaften das auch tun, nur dringend raten, verschriebene Blutdrucksenker sorgfältig weiter einzunehmen.
Haben jüngere Patienten mit gut eingestelltem Blutdruck ebenfalls ein größeres Risiko für einen schweren Verlauf als Menschen ohne Bluthochdruck?
Das wissen wir leider noch nicht genau. Das hat damit zu tun, dass es zwar schon sehr viele Patienten gibt, deren Daten aber nicht detailliert genug erfasst werden. In den Patientenakten, die wir beispielsweise aus China kennen, steht dann eben nur „Bluthochdruck“. Ob der gut eingestellt ist oder nicht behandelt ist, mit welchen Medikamenten, wie lange, all diese Informationen fehlen. Es ist deshalb sehr wichtig, dass wir große Register mit Patientendaten anlegen, in denen solche Informationen erfasst sind. Das DZHK und auch die anderen deutschen Zentren der Gesundheitsforschung beteiligen sich an dem europäischen Register LEOSS. Dort werden täglich neue Fälle eingetragen. Erst wenn wir genügend Fälle mit vielen Daten zusammen haben können wir Untergruppen der Erkrankten bilden und schauen, ob wir Besonderheiten im Krankheitsverlauf finden. Bis dahin gilt auf jeden Fall: Ein gut eingestellter Blutdruck ist der beste Schutz.
Es wurde weltweit beobachtet, dass weniger Patienten mit Herzinfarkt und anderen Notfällen in die Kliniken kommen. Was ist der Grund dafür?
Man könnte spekulieren, dass das Virus einen Schutz vor Herzinfarkt bietet. Das ist aber wissenschaftlich unsinnig, dafür gibt es keinerlei Belege. Vielmehr scheint es so zu sein, dass die Menschen Angst haben ins Krankenhaus zu gehen, weil sie sich dort anstecken könnten. Hier werden aber Risiken fehlinterpretiert. Ein Herzinfarkt hat bei schneller Behandlung eine Sterblichkeitswahrscheinlichkeit von 5 Prozent. Wird die Behandlung verschleppt, schnellt die Sterblichkeit ganz extrem nach oben und ist höher als die einer Corona-Infektion. Aus China wissen wir, dass sich während der Corona-Pandemie die Zeiten vom Beginn der Herzinfarktsymptome bis zur Einlieferung ins Krankhaus und zur ersten Behandlung extrem verlängert haben. Das darf nicht sein. Die Angst vor Ansteckung im Krankenhaus rechtfertigt nicht, Notfälle zu verschleppen. Wir trennen die Patienten von Beginn an, so dass die Gefahr der Ansteckung im Krankhaus minimal ist. Ein nicht behandelter Infarkt stellt in jedem Fall die größere Gefahr dar. Deshalb: Bei Verdacht auf Herzinfarkt immer den Notruf wählen oder direkt ins Krankhaus fahren.
Sind Kinder mit angeborenen Herzfehlern ebenfalls besonders gefährdet?
Wir wissen, dass Kinder grundsätzlich insgesamt weniger erkranken. Es gibt Hinweise aus dem Labor, dass sich bei angeborenen Herzfehlern vermehrt ACE2 auf den Membranen der Herzmuskelzellen findet. Ob dies unter dem Strich eher infektionsfördernd oder protektiv ist, kann zurzeit nicht beantwortet werden, aber es scheint so zu sein, dass bei angeborenen Herzfehlern kein erhöhtes Risiko für einen schweren Erkrankungsverlauf besteht.